Gelsenwasser
Der kundendienst taucht ab
Nicht einmal das qualitätsmanagement weiß weiter
Der Gelsenwasser-kunde wechselt sein girokonto und nimmt das angebot seiner neuen bank an, ihm die übersendung einer neuen einzugsermächtigung für die abschlagszahlungen an die Gelsenwasser abzunehmen.
Zwei monate später erhält der kunde eine eingangsbestätigung der Gelsenwasser für die neue einzugsermächtigung. Zumal da die gefahr eines zahlungsverzuges besteht, wenn ein dienstleister zu spät von einem neuen konto erfährt und von einem nicht mehr existierenden konto geld einzuziehen versucht, möchte der kunde klären, was in diesen zwei monaten mit der einzugsermächtigung geschehen ist. Hat die bank sie nicht abgeschickt, wurde sie von der post nicht befördert, oder ist sie bei der Gelsenwasser unbearbeitet liegengeblieben? Er fragt an, wann die einzugsermächtgung bei der Gelsenwasser eingetroffen und auf welche art sie übermittelt worden sei.
Er erhält eine eingangsbestätigung mit der ankündigung einer antwort binnen fünf tagen.
Nach neun tagen ohne antwort bittet der kunde erneut um klärung.
Nun wird ihm mitgeteilt, wann die einzugsermächtigung „zur bearbeitung vorlag”. Dies hilft ihm auf der suche nach der ursache der verzögerung nicht weiter, weil ungeklärt bleibt, in wessen verantwortungsbereich das dokument sich bis zum moment der vorlage zur bearbeitung befunden hat. Im extremfall hätte es die ganze zeit über unbearbeitet bei der Gelsenwasser gelegen haben können. Aber auch bei der post. Oder ebenso lange bei der bank. Es kommt nämlich auf den zeitpunkt des eintreffens beim empfänger an, nicht auf den zeitpunkt, zu dem der empfänger die gelegenheit findet, sich mit einem dokument zu beschäftigen, welches bereits wochenlang auf seinem schreibtisch liegt. Hätte man einfach die frage beantwortet, wann das schreiben „tatsächlich eingetroffen” sei, wäre der sachverhalt klar. Indem an der frage vorbei geantwortet wird, wird der kunde darüber im unklaren gelassen, wo das dokument sich zwischenzeitlich befunden hat; ebensowenig erfährt er, auf welchem wege die einzugsermächtigung die Gelsenwasser erreicht hat.
Nachden der Gelsenwasser mitgeteilt wurde, dass ihr kunde gestorben ist, verlangt sie vom nachnutzer des wasseranschlusses, einen zählerstand und übergabetermin mitzuteilen, um die ummeldung durchführen zu können.
In einem weiteren schreiben wendet die Gelsenwasser sich direkt an den toten kunden unter dem betreff „Ihre kündigung der wasserversorgung”, dankt für die meldung seines „umzuges” und verlangt von ihm, eine „vertragsübergabe” zu organisieren, d. h. „gemeinsam mit dem neuen vertragspartner den neuen zählerstand abzulesen”, um eine „schlussrechnung” zu erstellen. Ein toter kündigt also seinen vertrag, zieht auf einen friedhof um und kehrt zwecks ablesung eines zählerstandes kurzzeitig in seine einstige wohnung zurück … Bei der Gelsenwasser hat man phantasie, das muss man ihren mitarbeitern zugestehen.
Der neue kunde, der den anschluss übernehmen will, erklärt sich in einem schreiben an die Gelsenwasser bereit, die kosten des vornutzers seit dessen letzter turnusmäßigen jahresabrechnung zu übernehmen, da ein toter ohnehin keine rechnung mehr bezahlen kann. Er bittet die Gelsenwasser, auf eine abschlussrechnung für den verstorbenen vornutzer zu verzichten und ihm, dem nachnutzer, mit der nächsten turnusmäßigen jahresabrechnung die verbrauchskosten des gesamten jahres seit der letzten jahresrechnung in rechnung zu stellen (also mitsamt dem verbrauch des verstorbenen). Er möchte nur als neuer vertragspartner eingetragen werden.
Die Gelsenwasser bestätigt die kenntnisnahme des todes ihres kunden, lehnt jedoch die bloße ummeldung des vertragspartners ab und fordert weiterhin, „den stichtag der ummeldung mit dem zählerstand dieses tages” zu nennen.
Der nachnutzer des wasseranschlusses wendet sich an die abteilung für qualitätsmanagement der Gelsenwasser und beschreibt das kommunikationsproblem hinsichtlich der frage der einzugsermächtigung und der änderung des vertragspartners. Da die angehörigen am todestag sich um anderes kümmern müssen als einen wasserzähler abzulesen, bittet der neue kunde um einen vorschlag, welcher andere termin bzw. zählerstand der Gelsenwasser für die vertragsumschreibung geeignet erscheine, wenn sie schon auf der nennung eines stichtages mit zugehörigem zählerstand bestehe.
Die Gelsenwasser schickt eine eingangsbestätigung, verbunden mit der zusage, binnen fünf tagen zu antworten. Doch die qualitätsmanager der Gelsenwasser hüllen sich in schweigen. Auch nach einem ganzen jahr noch.
Dann trifft die turnusmäßige jahresrechnung ein, wieder an den toten kunden adressiert.
Darin wird der gesamte verbrauch eines jahres ungeachtet des zwischenzeitlichen kundenwechsels abgerechnet. Es geht also doch. Dies hatte der kunde vorgeschlagen, dies hatte die Gelsenwasser aber abgelehnt.
Allerdings hält die Gelsenwasser immer noch an ihrem toten kunden fest, der tote bezahlt nun außer dem eigenen verbrauch auch den verbrauch seines wohnungsnachfolgers. Logischer wäre es gewesen, wenn der nachnutzer, der immerhin noch am leben ist, den verbrauch des verstorbenen mitbezahlen würde, der nichts mehr bezahlen kann.
In der rechnung ist außerdem von einem zählerwechsel die rede. Davon hat der kunde nichts erfahren, die mit dem umbau verbundene versorgungsunterbrechung wurde nicht angekündigt, ebensowenig wurde der kunde zur ablesung des zählerstandes hinzugezogen. Dabei hatte die Gelsenwasser mit ihrer forderung an den toten, eine übergabe mit ablesung zu organisieren, bewiesen, wie wichtig es ihr ist, dass alle beteiligten der ablesung beiwohnen.
Daraufhin geht der kunde den neuen zähler ablesen, versteht aber die bedeutung der anzeige nicht, da er in die ablesung des neuen zählers nicht eingewiesen wurde.
Der kunde wendet sich erneut an die qualitätssicherungs-abteilung in der annahme, dass zumindest dort, wenn schon nicht in der normalen kundendienstabteilung, menschen anzutreffen sein sollten, denen es an einer funktionierenden kommunikation mit den kunden gelegen ist. Er weist auf die ungeklärten fragen hin und bittet die qualitätssicherung um abhilfe.
Wieder erhält er eine eingangsbestätigung, diesmal wird eine bearbeitungszeit von „bis zu zwei wochen” angekündigt. Nach neun monaten wird die qualitätssicherung noch immer nicht reagiert haben.
Nach drei wochen ohne antwort fragt er die qualitätssicherung direkt, ob sie die ankündigung einer antwort bereits als die antwort selbst betrachte und ob es niemanden in diesem unternehmen gebe, dem es an der qualität der geschäftsabläufe gelegen sei.
Auch der eingang dieser nachfrage wird bestätigt und eine antwort binnen zwei wochen angekündigt. Nach acht monaten ist noch immer keine gekommen.
Nun wird der kunde neugierig zu erfahren, wie weit die Gelsenwasser bei der ignorierung von kundenanliegen gehen will. Er versucht es diesmal telefonisch. Der mitarbeiter bestätigt das vorliegen sämtlicher schreiben und sagt zu, für die klärung der fragen zu sorgen.
Sieben monate später wird der kunde noch immer nichts gehört haben.
So viel schweigen kann kein zufall sein.
Der kunde zweifelt an der seriosität des unternehmens Gelsenwasser und beginnt im internet zu recherchieren. Tatsächlich findet sich unter dem suchbegriff „gelsenwasser antikommunikation” als erstes ergebnis die „referentin unternehmenskommunikation” der Gelsenwasser, die sich rühmt, ihr „herz brenne für transparente, kreative kommunikation”. Welch eine fügung, dass sie ausgerechnet unter dem suchbegriff der „anti-kommunikation” gefunden wird. Wenn die Gelsenwasser eigens für die transparente kommunikation eine mitarbeiterin anstellt, warum findet dieses anliegen dann in den praktischen geschäftsabläufen keinen niederschlag? Oder liegt die kreativität gerade darin, eine mitarbeiterin anzustellen, die positive slogans verbreitet, um davon abzulenken, was in wirklichkeit nicht funktioniert?
Weiter stellt sich heraus, dass diese mitarbeiterin in einem sogenannten „Gelsenwasser-Blog” tätig ist, sie wirbt für „klare konzepte”, sie befinde sich „mittendrin im Gelsenwasser-kosmos”. Wenn jemand sich so gut in der firma auskennt und ihm so sehr an kommunikation, transparenz und klarheit gelegen ist, und wenn er dann noch einen blog betriebt, denkt sich der kunde, dann sollte man ihn beim wort nehmen und fragen, ob er sich auch für die erfahrungen interessiere, die der kunde selbst mit dieser firma macht. Er reicht seine geschichte beim Gelsenwasser-Blog ein. Und erhält eine eingangsbestätigung.
Nach drei monaten hat er noch nichts gehört. Das war's also mit kommunikation, transparenz und klarheit.
Da nicht auszuschließen ist, dass seitens des Gelsenwasser-Blogs eine kontaktaufnahme versucht wurde und ein entsprechendes schreiben nur verlorengegangen ist, versucht der kunde, einen mitarbeiter des blogs telefonisch zu erreichen. Er wählt die nummer, die auf der internetseite des Gelsenwasser-Blogs angegeben ist. Eine automatisierte abfrage fordert ihn zur eingabe einer kennziffer über die telefontastatur auf, eine ziffer für die meldung des zählerstandes, eine andere zum ändern des abschlages und eine dritte ziffer für alle anderen themen. Der kunde tippt die letzte kennziffer, da er den Gelsenwasser-Blog erreichen will. Es meldet sich der kundendienst der Gelsenwasser. Der kunde bittet, einen mitarbeiter des Gelsenwasser-Blogs zu sprechen. Der kundendienst-mitarbeiter hat jedoch noch nicht von einem Gelsenwasser-Blog gehört. Als mitarbeiter der Gelsenwasser, entgegnet der kunde, müsse er aber zumindest wissen, wie die anderen mitarbeiter seines unternehmens zu erreichen sind. Nein, das wisse er nicht, beteuert der mitarbeiter, er könne nur zählerstände entgegennehmen, er könne auch nicht weiterverbinden. Der kunde weist darauf hin, dass er eigens die kennziffer für alle anderen themen eingegeben habe und nicht die kennziffer für die übermittlung von zählerständen, insofern habe die software zur erkennung der kennziffern nicht funktioniert. Aber selbst wenn die automatik nicht funktioniere, müsse spätestens ein lebendiger mitarbeiter imstande sein, einen kunden mit dem zuständigen mitarbeiter zusammenzubringen. „Tut mir leid” und „Ich kann nicht” sind die antworten des mitarbeiters. Aussagen, die während dieses telefonates häufig von ihm zu hören sind. Das wird also unter kundendienst verstanden. Es ist gar nicht das anliegen des mitarbeiters, dass der kunde die abteilung, die er erreichen will, auch tatsächlich erreichen kann, wenn ihm schon keine andere telefonnummer genannt wird. „Ich kann nicht” ist das gegenteil von kundendienst. Wie wäre es mit der bezeichnung „dienstversagen”? Früher besaßen die mitarbeiter einer firma ein telefonverzeichnis und konnten zu einem anderen mitarbeiter weiterverbinden oder einem anrufer eine passende durchwahl nennen. Oder sie sagten zu, den sachverhalt selbst zu klären und das ergebnis zurückzumelden.
Der kunde, der den Gelsenwasser-Blog sprechen möchte, versucht also, positiv zu denken: Wenn es tatsächlich zutreffen sollte, dass dieser mitarbeiter keinen überblick über die ansprechpartner in der firma hat, in der er arbeitet, dann kann dies nicht ihm vorgeworfen werden, sondern dann handelt es sich um ein versäumnis der firmenleitung. Da er aber immer noch mitarbeiter dieser firma ist, hat er als solcher vorgesetzte und ansprechpartner. Somit ist es ihm immer möglich, eine angelegenheit aus seiner beruflichen tätigkeit mit seinen ansprechpartnern und vorgesetzten zu besprechen. Der kunde teilt diese überlegung mit und bittet den kundendienstmitarbeiter, sich in seiner eigenschaft als arbeitnehmer der firma Gelsenwasser bei kollegen, vorgesetzten oder einer sonstwie geeigneten person zu erkundigen, wie die mitarbeiter des Gelsenwasser-Blogs telefonisch zu erreichen seien. Der kundendienstmitarbeiter notiert sich die telefonnummer des kunden und sagt zu, das ergebnis seiner erkundigungen mitzuteilen. Wenn das gelingt, wäre es echter kundendienst, der den kunden weiterbringt.
Was aber ausbleibt, ist ein rückruf.
Wenn ein mitarbeiter schon die telefonnummer des kunden hat und das telefon einen anrufbeantworter, dann ist eine kontaktaufnahme immer möglich. Auch wenn der angerufene gerade nicht zu sprechen ist. Es kann also nicht gesagt werden, man habe nicht antworten können. Wenn die angekündigte antwort dennoch ausbleibt, dann steckt dahinter eine absicht.
Es wird immer deutlicher, worin das kundendienst-konzept der Gelsenwasser besteht: in der bloßen ankündigung von kundendienst und in dessen faktischer vermeidung.
Nun trifft ein brief der Gelsenwasser ein. Er ist schon wieder bzw. noch immer an den toten kunden adressiert. Da inzwischen bei der Gelsenwasser angekommen sein müsste, dass ihr kunde gestorben ist und sie seit anderthalb jahren einen neuen kunden hat, geht das schreiben ungeöffnet mit dem vermerk „Empfänger verstorben” an den absender zurück.
Der kunde teilt der Gelsenwasser schriftlich mit, dass und warum er den brief zurückgeschickt hat. Außerdem bittet er um eine bestätigung, welche der schreiben, die er bisher an die Gelsenwasser geschickt hat, von ihr abschließend bearbeitet worden seien, da es vorkommen könne, dass eine antwort verlorengeht und beim kunden der falsche eindruck entsteht, man habe nicht antworten wollen.
Postwendend kommt eine eingangsbestätigung, in der eine bearbeitungszeit von „bis zu 5 werktagen” angekündigt wird.
Ist der leser dieses berichtes nun überrascht, wenn er erfährt, dass es die angekündigte antwort nicht geben wird?
Alle achtung, das muss man der Gelsenwasser lassen: Diese beharrlichkeit in der verhinderung von kommunikation muss man ihr erst einmal nachmachen.
Die Gelsenwasser AG wird hiermit für die preisverleihung in der disziplin antikommunikation vorgeschlagen.
Hinweis für mitarbeiter der Gelsenwasser AG >>>
Sie möchten sich um die aufklärung der vorfälle kümmern? Weitere angaben finden Sie unter dem vertragskonto 20275502.
[xiii·ix·mmxxv]