… uns noch manche schöne, spannende, entdeckungsreiche stunde bringen, in der wir uns am morbiden charme dieser sprache erfreuen können!
kommt? … Klar, aus dem lateinischen – das ist ja wohl keine überraschung. Aber: Woher genau?
Eigentlich stammt dieser begriff von
esse (sein), aber das sieht man dem wort nicht wirklich an. Und überhaupt ist esse ein hilfsverb, das in mancherlei hinsicht aus dem rahmen fällt. Zuerst ist da die infinitivendung, die eigentlich -re lautet, sich hier aber an den stamm es- angleicht und mit ihm zu es|se verschmilzt. Dann haben wir den stammwechsel im perfekt zu fu-. Als ein verb, welches intransitiver nicht sein kann, fehlt ihm natürlich ein echtes passiv, weswegen es unter den stammformen gar nicht erst ein partizip perfekt passiv auf -tus gibt. Dennoch muss man sich ein solches denken, um das partizip futur aktiv auf -urus bilden zu können, welches (wie auch manch andere wortneubildung aus einem verb) vom stamm des partizips im perfekt passiv abgeleitet wird. Aus dem aktivischen perfektstamm fu- bilden wir also in gedanken das (nicht existente) partizip im perfekt passiv fu|tus, a, um und daraus das partizip im futur aktiv fu|turus, a, um. Das heißt dann
einer, der sein wird oder freier übersetzt
künftig. Stellen wir dieses partizip als attribut zu tempus, ŏris n, dann erhalten wir
tempus futurum, also
die zeit, die sein wird oder
die kommende zeit. Womit wir schon verdächtig nahe an der
zukunft liegen.
Aber wieso ist etwas, das in zukunft einmal sein wird, zugleich etwas, das
kommt, sich auf uns zubewegt? Das, was sein wird, bewegt sich doch nicht, oder doch? Nein, aber wir selber bewegen uns, oder der zeitpunkt, den wir
gegenwart nennen, bewegt sich vorwärts, in richtung auf die zukunft hin. In mathematik und fysik spricht man auch von der zeitachse oder vom zeitstrahl, an der (dem) wir uns entlangbewegen. Auch wenn die zukunft immer vor uns liegt (weil sie per definitionem immer das ist, was noch
nicht jetzt ist), so entsteht durch unsere eigene bewegung zur zukunft hin der eindruck, sie käme auf uns zu. So ist das mit jeder
relativbewegung zweier dinge zueinander. Wenn wir zum beispiel in der eisenbahn sitzen und fahren auf eine brücke zu, dann wäre es auch ein wenig verwegen zu glauben, der zug stehe still, und die brücke sei es, die sich auf uns zubewege. Eine animation mag
dies veranschaulichen. >>>
Man sieht, wie sich die gegenwart durch die geschichte frisst: Was sie von der vor sich liegenden zukunft erlebt, lässt sie hinter sich als vergangenes zurück.
Dabei wird der vergangenheitsbalken immer länger, der zukunftsbalken dagegen immer kürzer. (Doch brauchen wir angesichts der zeitlichen dimensionen des kosmos nicht zu befürchten, in kürze die zukunft „aufgebraucht” zu haben.)
Dass der zeitstrahl üblicherweise in mathematik und fysik von links nach rechts verläuft, hat keinerlei (sachlich) zwingenden grund. Es handelt sich um eine pure vereinbarung und gewohnheit. Der strahl könnte eben so gut von unten nach oben führen – oder sonstwohin.
Oder kommen Sie jetzt gar nicht mehr aus dem grübeln heraus? Könnte es vielleicht doch eine bestimmte form der veranschaulichung geben, die dem wesen der zeit näherkommt als andere formen? Bevor wir uns aber hierüber den kopf zerbrechen, sollten wir uns klarmachen, dass zeit und raum sehr verschiedene aspekte des seins (und werdens) sind – auch wenn sich zeit im raum als veränderung manifestiert. Eine bildliche darstellung ist immer eine räumliche (auch die ebene ist teil des raumes) und als solche der zeit wesensfremd. So wie das modell des um einen atomkern kreisenden elektrons nur eine verständnishilfe ist, die nicht mit der wirklichkeit verwechselt werden darf, ist auch die darstellung von „zeit” als zweidimensionales bild nur eine annäherung an die wirklichkeit, an etwas, das wir erahnen, aber auf grund der beschränkung der menschlichen erkenntnisfähigkeit wohl nie ganz werden verstehen können.
Der begriff
futur zur bezeichnung der zukünftigen zeit wird übrigens außer in der deutschen sprache auch im englischen und im spanischen verwendet: the future, el futuro. Die niederländer dagegen haben sich ein eigenes wort ausgedacht: de toekomst. Dieses wort ist aus zwei teilen zusammengesetzt. Die vorsilbe
toe entspricht dem deutschen
zu, herbei, heran. Bestandteil 2
de komst ist das substantiv zum verb
komen (kommen) und bedeutet somit
das kommen. Die vorhin angestellten überlegungen zur relativbewegung wurden also von den niederländern zur begriffsbildung genutzt:
das (auf uns) zukommen.
Jetzt geht uns vielleicht auch auf, dass die deutsche übersetzung des
futurs, nämlich
zukunft, das gleiche meint. Nur ist es nicht so augenfällig, da die wortstämme von
kunft und
kommen nur einen einzigen buchstaben gemeinsam haben (bei
komst und
komen im niederländischen sind es immerhin drei). Aber in der tat ist
die kunft (wir kennen sie von der
an|kunft eines zuges oder der
her|kunft eines wortes) eine veraltete substantivform zu
kommen. (Heute setzen wir, um zum verb das substantiv zu bilden, nur vor den infinitiv den artikel
das: das kommen.)
Eines fällt auf:
De komst und
die kunft bezeichnen einen
vorgang (eine bewegung):
das kommen. Dagegen meint
tempus futurum oder (abgekürzt)
das futur einen – wenn auch abstrakten –
gegenstand, nämlich eine zeit, die irgendwo vor uns liegt. Spüren Sie, wie der vorgang
das kommen und
die kommende zeit sowie
die zeit, die vor uns liegt unterschiedliche bilder in Ihrer vorstellung auslösen?
Möchten Sie weitere beispiele mit -kunft und -komst sehen? >>>
-kunft
abkunft (herkunft)
ankunft
auskunft
einkünfte (nur plural)
herkunft
niederkunft (geburt)
übereinkunft (übereinkommen, vereinbarung)
unterkunft
wiederkunft (rückkehr)
zukunft
zusammenkunft
-komst
de afkomst (herkunft)
de bijeenkomst (zusammenkunft)
de bijkomst (zugang)
de binnenkomst (das eintreten, der eintritt)
de inkomst (zugang, einzug, PL einkünfte)
de overeenkomst (übereinkunft)
de toekomst (zukunft)
de wederkomst (wiederkehr)
PL: plural
Wir können hier schön erkennen, dass manches mal der
vorgang gemeint ist (z. b. bei der niederkunft), und manchmal der
gegenstand als objekt des vorgangs (z. b. bei den einkünften). Oft kann auch beides gemeint sein – je nach zusammenhang. Das schillerndste beispiel ist die
auskunft. Damit kann der vorgang des auskunftgebens gemeint sein:
Das war aber eine umständliche auskunft. Oder es ist die rede vom ergebnis des auskunftsgebens, also von der information, die der um auskunft ersuchende mitnimmt:
Diese auskunft hat sich als falsch herausgestellt. Gemeint sein kann aber auch die institution, die auskünfte erteilt bzw. das gebäude, in dem dies geschieht:
Die auskunft war geschlossen.
Ja, ja, so kommt man vom hölzchen auf's stöckchen … Und darum soll jetzt endgültig schluss sein. Rechner aus!